Ein Abend mit herausragenden InterpretationenSonntag, 18. Februar 2024
Mit Claude Debussy (1862 – 1918), Maurice Ravel (1875 – 1937) und Ludwig van Beethoven (1770 – 1827) spannte das »Sitkovetsky Trio« einen weiten Bogen durch die Musikgeschichte. Denn auch, wenn Debussy und Ravel augenscheinlich Zeitgenossen sind, ist doch Debussys »Trio G-Dur für Klavier, Violine & Violoncello« von 1880 noch ein deutlich in der Klangsprache der musikalischen Romantik verwurzeltes Frühwerk. Ravels »Trio a-Moll für Violine, Violoncello & Klavier« aus dem Jahr 1914 hingegen lässt schon sehr deutlich die Wege der Musik in die Musik des 20. Jahrhunderts erkennen und wirkt auch ansatzweise wie eine Vorahnung der Zerrissenheit, die mit dem ersten Weltkrieg über Europa kam, der kurz nach seiner Fertigstellung ausbrach. Dass der dritte im Bunde – Beethoven – ebenfalls seine ganz eigene Klangsprache hat: geschenkt. Sehr interessant war, wie das »Sitkovetzky Trio« die Töne seines »Erzherzogtrios« (entstanden 1811) in frischem, „jugendlichem“ Glanz erstrahlen ließ.
Debussy eröffnet den ersten Satz mit einem locker-frischen Thema im Flügel, das die zwei Streicher in einer Art Replik übernehmen, um es zusammen mit dem Flügel weiter zu entwickeln. Das Thema gewann an Raum, wobei Alexander Sitkovetskys Violine, Isang Enders' Cello und Wu Qian am Flügel vor allem den Schwung der aufstrebenden Linien für ihre Interpretation zu nutzen wussten, die die Binnen-Bewegung des Satzes zur Kern-Idee machte. Die Dynamik, gepaart mit einfühlsamer Agogik, wurde dazu genutzt, um die vielfältigen Emotions-Schichten des ersten Satzes in einer noch-romantisch klingenden, doch absolut aktuellen Interpretation darzustellen. Diese Frische führten sie im zweiten Satz durch den sehr bewusst gesetzten Gegensatz aus klangvollem Pizzicato, schwirrenden Tönen und rhythmischen Flügel-Akkorden weiter, nebst vielen duftigen Spitzlichtern, die über sonoren Cello-Linien erblühten. Dagegen stand der Einsatz der Pedale zu Beginn des vierten Satzes, der es dem Cello ermöglichte, singend aus den Akkorden des Flügels heraus zu treten, im Dialog oder Gleichklang mit der Violine - dabei standen die Register der zwei Streicher mal in deutlichen Gegensatz, mal verschmolzen sie nahezu. Der vierte Satz ist als Feuerwerk aus Rhythmus und Bewegung mit weit ausgreifender Dynamik treffend zusammengefasst. … Schwebende Klavier-Akkorde, in die die zwei Streicher abrupt einfielen und ebenso hart wieder abgestoppt wurden, griffen zu Beginn von Ravels Trio in a-moll in den Raum, um schlagartig großer Expression Platz zu schaffen, die ebenso schnell wieder in hintergründige Ruhe versinken konnte. Schnelle Charakter- und Ausdruckswechsel, das Spiel mit der Zerrissenheit der musikalischen Versatzstücke des ersten Satzes, die Fähigkeit, dies immer wieder neu und anders wie aus der Luft zu greifen musste das Publikum am Samstag Abend gefangen nehmen. Mühelose Technik, allerfeinstes Oktav-Unisono, jeder Ton, jeder Akkord genau am richtigen Ort in seiner sprechendst möglichen Ausdeutung: Das ist die große Leistung des »Sitkovetsky Trios«. Ein Ravel, musikalisch meist fern und manchmal doch ein bisschen in der Nähe seines Gassenhauers, kompositorisch ein Höchstmaß an Präzision fordernd – das Trio holte das etwas über 100 Jahre alte Stück mit einer ausdrucksstarken, sprechenden Interpretation und den Mitteln der Gegenwart ins 21. Jahrhundert. Seine Instrumente könnten besser nicht zusammenklingen und unter den Händen von drei Musikern, die selbst das irre Schwirren und Flirren des vierten Satzes wie einen leichten Mückentanz im Abendschein klingen lassen können, wuchs es zu einer Sternstunde unter den vielen Spitzenkonzerten, die die Besucher des Musikwinters in den vergangenen Jahrzehnten genießen konnten.
Beethovens »Erzherzogtrio« darf im Repertoire keines renommierten Trios fehlen – so steht es auch auf der Liste des »Sitkovetsky Trios«, das sich Beethovens Katalog mit Hingabe widmet. Streift man durch die Weiten des musikalischen Universums, sind unzählige »Erzherzogtrios« zu finden, jedes für sich eine Facette des Beethoven-Interpretationsraumes; doch kaum eines ist so frisch, so gegenwärtig und so fern der Schwere, der oft überwiegenden Erdigkeit, die vielen Werken Beethovens und ihren Interpretationen innewohnt. Es ist nicht machbar, das, was diesen Beethoven aus den Händen des Sitkovetsky Trios ausmachte, in Worte zu fassen. Er ist und bleibt eine Nummer für sich, an ihm scheiden sich die Geister gerne. Vielleicht gelingt es so: Selbst für die Zuhörer, die am Samstag eher Ravels und Debussys wegen nach Gschwend gekommen waren, entfaltete sich ein besonderer musikalischer Ohrenschmaus, der in der Art von Sitkovetsky, Enders und Qian mit intellektuellem Genuss zu durchhören war. Für Beethoven-Liebhaber unumwunden eine überwältigende Interpretation der Extraklasse. Nicht enden wollende Standing Ovations beschloss das Trios mit einem Mendelsohn-Satz als Zugabe. (hat) Trackbacks
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