»Connection« – gestern Köln, heute GschwendSonntag, 4. Februar 2024
»Ceramic Dog«, der keramische Hund, so der Name von Marc Ribots Trio, das am Samstag Abend die Gemeindehalle in Gschwend beim dritten Konzert des Jazzclubs bis in die letzten Reihen füllte – die Plätze auf der Bühne mal ausgenommen, doch die sind vielleicht auch nicht wirklich begehrt? Tipp an die Musikwintermacher: Vielleicht würde sich die Bühne auch einmal als Tanzfläche eignen? Beim Jazz fehlte sie auf jeden Fall schon einige Male in den letzten Jahren! Am Ende eines nahezu zweistündigen, nur durch die beiden Schlussapplause vor den zwei Zugaben wirklich unterbrochenen Sets ist Nomen hier Omen – zumindest in Punkto „Ceramic“. Keramik ist hart, zerbrechlich und fragil auf einmal – so wie die Musik der drei. Sie kann fein, fast durchsichtig, aber auch roh, grob und robust sein. Ebenso in natürlicher Einfarbigkeit, aber auch bunt, schillernd, schreiend oder auch ganz dezent mit wenigen Pinselstrichen geschmückt. All diese Aspekte passen auf die Musik von Marc Ribots »Ceramic Dog«, mit Marc Ribot (Gitarre & Stimme), Reza Askari ((Bass)-Gitarre, Moog & Electronics) & Ches Smith (Percussion & Electronics).
Doch „Halt!“ könnten jetzt die sagen, die »Ceramic Dog« kennen: Ein Name stimmt nicht. Stimmt und ist doch nicht richtig, denn Shahzad Ismaily war wegen zwei Grammy-Nominierungen verhindert und so bekamen die Besucher des Konzerts in Gschwend durch die Präsenz von Reza Askari neue Facetten in der Musik von »Ceramic Dog« zu hören, wie sie so bislang nur im Konzert in Köln am Tag zuvor erklangen. Die Setlist des Abends: Lang. Alle Nummern stammen aus Marc Ribots und oder der Feder von »Ceramic Dog«, doch fehl ging, wer einen „Jazz-Abend“ erwartete. Wie begann das Ganze? Wie und wohin entwickelte es sich? Gab es einen roten Faden? Der Reihe nach: … Stimmen, einspielen oder Intro dachte man bei den ersten Tönen, nach den ersten Takten. Vermutlich etwas von allem, vor allem aber Verbreiten von Atmosphäre, die Erzeugung von Klangwelten und -gebilden aber auch Erzählen mit Tönen, später auch mit Worten. Und urplötzlich vom Schlagzeug eine Klang-Rhythmus-Explosion: Wie Donnerschlag auf Donnerschlag in und um den Raum, in den die Gitarren mit immer mehr Tempo, Dichte und Sound-Druck einstimmten, Motive aufnahmen, sich zu und entgegen spielten, Klangfäden ins Publikum warfen. Ein Ausbruch, der die Halle spürbar zum Erzittern brachte und im Publikum mehr als nur gehört wurde. Die nächste Nummer oder nicht? Egal! Es ging einfach weiter mit ostinatem Rhythmus, Gesang, rockig, frech und expressiv in wahnwitzigem Drive. Hart, einerseits gnadenlos, andererseits einnehmend und so durchdringend, dass jede Nervenzelle, ja jede Körperzelle in Schwingung kommt. Sound zum Hören und Spüren. Viele haben sich schon an Sprachbildern und Genre-Vergleichen für den keramischen Hund versucht – hier noch ein Take: Ist das vielleicht Grunge-Jazz?
Dann schien sich die Musik aufzulösen, in jede Richtung und mehr als nur die drei Dimensionen zu erspüren und auszufüllen, unterlegt von Rhythmen, die einen basalen, sehr ursprünglichen Eindruck erweckten. Alle drei Musiker mischen Nummer um Nummer alles auf, treiben die Musik mal hierhin, mal dorthin. Sie greifen in viele musikalische Schubladen, mischen, spiegeln, collagieren und kolportieren nahezu alle Musikwelten – u. A. fand sich auch mal Santana nach zu viel Tequila darin. War alles die ganze Zeit so hart, heftig und wahnsinnig in Tempo und Ausdruck? Ja! Doch noch etwas Anderes machte den Abend aus: Die herausragende Mischung aus hartem, heftigem, rohem Beat mannigfaltiger Couleur, intimem Krach und ruhigen, lyrischen Passagen. Die Musik von »Ceramic Dog« steckt auch voll Text und Lyrik, in der Regel gesungen, aber auch vorgetragen von Marc Ribot, der über eine registerreich wandelbare Stimme verfügt, der man sich – vor allem, wenn er mit großer Ruhe vorträgt –, nicht entziehen kann. Eine Stimme, die man auch nicht unbedingt verstehen muss, die ihre Botschaft dennoch hinausträgt. So bleibt, neben vielem Anderem auch der Eindruck eines ruhigen Erzählers z. B. mit einem Gedicht von Allen Ginsberg über sparsamem Bass und Melodie und den sich daraus entwickelnden hochenergetischen Ausbrüchen eines Musikvulkans – Lava ist ja ein äußerst fruchtbarer Boden! Und letztlich zwei Zugaben, von denen eine so um die 100 Jahre in die Musikgeschichte zurückreichte. (hat) Trackbacks
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